Jaffa wie die Orangen und sehr alt

Bild zu Jaffa aus Wien.

Jaffa aus Wien

Wir wissen nichts über ihr früheres Leben, wir waren nur zufällig anwesend, als ein junges Paar eine Plastikkiste, aus der es nicht gut roch, zum Tierarzt brachte. Die kleine Katze darin hatte der Hund der jungen Leute in einem Recycling-Container gefunden, sie hatte sich in einer Kunststoffschlaufe verfangen und nicht mehr befreien können. Mit dieser Schlaufe hatte sie sich eine Wunde unter dem linken Vorderarm gerieben, in der schon die Maden waren. Aber obwohl verletzt und abgemagert, war das kleine Katzentier guter Dinge. Wir boten an, sie ins Tierschutzhaus zu bringen, weil der Tierarzt schon sehr müde war.

Alle in Wien gefundenen Katzen sollen ins Tierschutzhaus gebracht werden, damit sie – hoffentlich – von ihrer Familie gefunden werden können. Uns ging die kleine lädierte Katze nicht aus dem Kopf, und nachdem niemand sie vermisste und auch niemand eine großflächig rasierte, mit blauer Tinktur angepinselte Katze haben wollte, waren die HelferInnen im Tierschutzhaus recht zufrieden, als wir sie zu uns nahmen. Unsere drei großen Kater nahmen sie gut auf, sie war lange die „Kleine“. Wir nannten sie „Jaffa“, weil ihr Gesicht in ihrer Jugend orangefarben war, der Rest von ihr war braun gestreift. Wir mussten noch öfters mit ihr ins Tierschutzhaus fahren, bis sie ganz gesund war.

Dann lebte sie sich gut bei uns ein und war eine ausgesprochen lustige, problemlose Mitbewohnerin. Nach ungefähr acht Jahren bekam sie Schwierigkeiten beim Atmen, der Tierarzt war ratlos. An einem Sonntagabend waren die Beschwerden sehr stark. Wir brachten sie nach einigem Herumtelefonieren in der Früh auf die Veterinärmedizinische Universität. Sie konnte inzwischen kaum mehr atmen und wurde sofort operiert. Obwohl es ihr so schlecht ging, warf sie uns einen zutiefst enttäuschten Blick zu, als wir sie dortließen. Bei der Operation wurden ihr drei Ringe der Luftröhre entfernt, und die Untersuchungen des Gewebes ergab, dass es sich um ein sehr schnell wachsendes Lymphsarkom handelte.

Jaffa erholte sich blendend von der Operation und war derartig aktiv, dass alle aufatmeten, als wir sie abholen durften. Alle Nachuntersuchungen ergaben, dass der Krebs glücklicherweise nicht zurückkam. Auf ihrer rasierten Brust wuchs zuerst ein graues Samtfellchen, auf dem dann nach und nach wieder die Streifen erschienen.

Mit dieser Operation in der Mitte ihres Lebens haben wir fast zehn weitere Jahre mit ihr gewonnen. Erst als sie eine alte Katzendame war, entwickelte sie andere Beschwerden, wie eine chronische Nierenschwäche und eine Schilddrüsenüberfunktion. Aber auch diese Probleme konnten wir lange mit angemessener Ernährung und Medikamenten in Schach halten. Jaffa war inzwischen kein Springinkerl mehr, sondern eine kluge Autoritätsperson. Die neue hinzugekommene Mitzi, viel jünger und viel größer, war geradezu hingerissen von ihr und beobachtete sie und richtete sich nach ihr. Als die kleine Jaffa uns in sehr hohem Alter doch verlassen musste, stand ihre Lieblingsschachtel lange leer, bis schließlich Mitzi sich überwand und sich hineinsetzte.

Auch wenn sie der Veterinärmedizinischen Universität viele Jahre ihres langen Lebens verdankte, nahm Jaffa es nicht schweigend hin, wenn sie wieder hinfahren musste. Der Weg vom Westen von Wien dauert – mit dem Auto oder mit den Öffis – eine Stunde. Und genau eine Stunde lang, zuerst hin und dann zurück, piepste und maunzte sie in ihrer Transportbox. Einmal wollte sie nach ihrer Rückkehr zuhause etwas sagen, aber hatte sie sich heiser gekrächzt und konnte nur mehr tonlos maunzen. Es war ihr sichtlich peinlich.

Ich bin ja so froh, dass wir zufällig anwesend waren, als sie von den Beiden, die sie gerettet haben, zum Tierarzt gebracht wurde, und dass wir uns im Tierschutzhaus weiter nach ihr erkundigt haben. Aufgrund eines Computerfehlers war sie eine Zeitlang unter einer anderen Nummer registriert. Sie war – obwohl nicht dreifarbig – eine echte Glückskatze.

Berichtet von Susi H. aus Wien.

Vielen Dank für diesen schönen Bericht! Die Redaktion von „Jim“.

Tagged , , , . Bookmark the permalink.

Comments are closed.